125 Jahre Kneippverein

 125 Jahre Kneipp-Verein Ludwigshafen/Rhein e.V. Vereinsjubiläum am 24. August 2019, 11 Uhr im Turmrestaurant / Ebertpark mit 150 Festgästen

1883, vor etwa 135 Jahren, war Tuberkulose eine weit verbreitete, gefürchtete und meist tödliche Krankheit, die zu diesem Zeitpunkt nicht durch Medikamente heilbar war. Fast die ganze damalige Welt war verzweifelt auf der Suche nach einem Heilmittel gegen die Schwindsucht. Erst 1882 entdeckte Robert Koch den Erreger der Tuberkulose. Selbst 2015 infizierten sich noch schätzungs-weise 10,4 Millionen Menschen mit der gefürchteten Krankheit.

Auch Sebastian Kneipp erkrankt 1846 an der Tuberkulose und sucht vergeblich Hilfe bei den Ärzten. Aber er gibt nicht auf. 1848 entdeckt er zufällig das Buch „Unterricht von Krafft und Würkung des frischen Wassers in die Leiber der Menschen“ und badet daraufhin wöchentlich zwei- bis drei Mal in der eiskalten Donau, nimmt zu Hause Halbbäder und übergießt sich mit Wasser und wird nach eigenen Angaben wieder gesund. Seine Erfahrungen verarbeitet er im Buch „Meine Wasser Kur“ und geht auf Vortragsreise. Mit seiner spektakulären Geschichte begeistert er die Menschen überall für seine Ideen. 1893 führt ihn sein Weg auch nach Mannheim und Heidelberg, wo viele Ludwigshafener seinen Vortag hören.

Unter ihnen sind auch die Ludwigshafener Volksschullehrer Bappert und Sattel und der in Mannheim ansässige Mediziner Dr. Wirtz. Bereits auf dem Heimweg fassen sie den Entschluss einen Kneipp-Verein zu gründen um die Ideen Kneipps selbst zu erforschen und den Menschen in der Region zugänglich zu machen.

Bis zum Jahreswechsel 1893/94 waren die Vorbereitungen soweit gediehen, dass zur Gründungsversammlung eingeladen werden konnte. Der „General-Anzeiger Ludwigshafen a.Rh.“ berichtete in seiner Ausgabe am 18. Januar 1894 u.a. von der Vereinsgründung im Gartensaal des Gesellschaftshauses nur wenige Kilometer von hier entfernt.

Der Lehrer Bappert übernahm die Vereinsführung. Der Jahresbeitrag wurde auf vier Mark festgesetzt. Damals hielt der Vereinsarzt Dr. Wirtz täglich zwischen 11 und 12 Uhr im Bad des Gesellschaftshauses Sprechstunden ab sowie Vorträge zur Aufklärung und Belehrung.

Am 15. Oktober 1896 abends um halb 8 Uhr hielt Prälat Kneipp im großen Saal des Gesellschaftshauses einen öffentlichen Vortrag. Eintritt für Nichtmitglieder 1,50 Mark pro Person. Das Gesellschaftshaus in der Bismarckstraße stand an der Stelle des heutigen Bürgermeister-Reichert-Hauses. Mehr über das Vereinsleben in den ersten 40 Jahren ist leider nicht bekannt, da die Chronik im 2. Weltkrieg verloren ging. Man weiß lediglich, dass das vom Verein seit 1908 genutzte Licht-, Luft- und Sonnenbad dem Südweststadion weichen musste, das nach dem 2. Weltkrieg entstand. Der Verein wurde unter dem Druck des Hitler-Regimes, wie alle Vereine, aufgelöst.

Hedwig Dehm war es, die nach dem 2. Weltkrieg die noch verbliebenen Kneippianer einzeln aufsuchte, so dass im November 1951 der Verein wieder gegründet werden konnte. Sie steuerte das Vereinsleben der Kneippfreunde 21 Jahre lang, bis sie 1972 aus Gesundheitsgründen ihr Amt niederlegte. Schatzmeister Zöller hielt den Verein am Bestehen.

Der Psychologe Dieter Sona übernahm ab 1974 die Vereinsleitung. Ihm folgten ab 1976 der Hautarzt Dr. med. Elmar Bender, ab 1989 die Yogalehrerin Monika Grahn und ab 1991 bis heute der Dipl.-Ing. Otmar Demuth, der als 2.Vorsitzender bereits seit 1988 die Geschäfte des Vereins geführt hatte.

Die Vereinstätigkeit bestand zunächst aus Arztvorträgen, die oft bis auf den letzten Platz besetzt waren. Am 17. Mai 1980, dem Todestag von Sebastian Kneipp, fand wie jedes Jahr ein medizinischer Vortag vor der Konzertmuschel hier im Ebert-Park statt. Otmar und Heidrun Demuth hatten bereits zahlreiche Vorträge des Kneipp-Vereins besucht und waren auch diesmal begeistert. Damals war das Thema des Vortrages „Einfluß des Wetters auf den Organismus“. Philipp Hager der stellvertretende Vorsitzende des Vereins nutzte die Begeisterung der Zuhörer und verteilte Beitrittserklärungen zum Kneipp Verein. 4 Jahre zuvor hatte die Yogalehrerin Monika Grahn an der Goetheschule im Hemshof erstmals einen Kurs für Yoga eingerichtet. Dieser wurde regelmäßig auch von Heidrun Demuth besucht. Der stellvertretende Vorsitzende Philipp Hager sollte die Sache begutachten und konnte den Sinn der Stunde nicht ganz nachvollziehen, er wunderte sich, dass die Teilnehmer nur auf dem Boden liegen und schlafen. Dabei hatten sich Monika und Heidrun so sehr bemüht eine beeindruckende Stunde zu gestalten. Die Haltung Otmar Demuths zum Thema Yoga war der von Philipp Hager nicht unähnlich.

Zu dieser Zeit litt Otmar unter gesundheitlichen Problemen und fragte Philipp Hager um Rat. Dieser empfahl ihm eine Kneipp-Kur in Bad Lauterberg im Harz. So trat Otmar Demuth noch 1988 seine 4- wöchige Kur an. Otmar wollte die Zeit und Gegend vor allem zum Wandern nutzen und wünschte sich Begleitung. Die anderen Kurgäste waren zum Großteil weiblich und wollten lieber die in Bad Lauterberg angebotenen Yoga Kurse besuchen. So wurde ein Deal ausgehandelt, nachdem die Tischgenossen zum Wandern mitkämen, wenn Otmar im Gegenzug die Yogastunden besuchte.

In seiner ersten Yogastunde musste Otmar feststellen, dass die oft deutlich älteren Yogateilnehmer wesentlich beweglicher waren als er. Bei der abendlichen telefonischen Berichterstattung hätte Heidrun kaum mehr überrascht sein können, als Otmar begeistert von seiner Yogaerfahrung berichtete. Kaum wieder zu Hause angekommen, erfuhr Otmar, dass er in seiner Abwesenheit zum stellvertretenden Vorsitzenden des Kneippvereins gewählt worden war. Er hatte zugestimmt, sich zur Wahl zum Beirat zu stellen, jedoch hatte Philipp Hager seine Abwesenheit genutzt und ihn bei der Mitgliederversammlung für seine Nachfolge für den zweiten Vorsitz vorgeschlagen. Durch seinen Kurerfolg bis in die Haarspitzen motiviert nahm Otmar die Wahl an. Ähnlich wie die Gründerväter des Kneipp-Vereins nach dem Vortrag begeistert unseren Verein gründeten, wollte Otmar seine Erfahrungen aus der Kneipp-Kur mit anderen teilen. Als zweiter Vorsitzender wollte Otmar das Angebot des Kneippvereins deutlich ausbauen und Yogakurse anbieten. Die bestehenden Vorstandsmitglieder bevorzugten das bisherige Angebot, welches ja hauptsächlich aus Vorträgen bestand. Aber es sollte anders kommen. Nach kurzer Zeit verstarben die Vorstandsmitglieder um Otmar in gesegnetem Alter mit über 80 Jahren und Otmar konnte seine Ideen umsetzen.

Monika Grahn bot fortan Yogakurse für den Kneipp Verein an und auch Otmar besuchte diese. Da Monika die Fragen Otmars zu den Hintergründen der Übungen aus Otmars Sicht nicht befriedigend beantworten konnte, beschloss er selbst eine Ausbildung zum Yogalehrer zu machen. Gemeinsam mit Heidrun besuchte er nun Ausbildungen und Fortbildungen und die beiden schlossen 1995 die Ausbildung zum Yogalehrer ab. So stieg auch die Zahl der angebotenen Yogakurse beim Kneipp-Verein. Immer mehr Ludwigshafener nutzten das Angebot und unter ihnen auch immer mehr um ihre gesundheitlichen Einschränkungen zu überwinden. Um der neuen Zielgruppe die beste Unterstützung zu bieten, wollten Otmar und Heidrun mehr medizinisches Hintergrundwissen erwerben und machten zusätzlich eine Ausbildung zum Fachübungsleiter Rehabilitationssport orthopädische Erkrankungen beim Behindertensportverband, bei dem das Thema Reha-Sport angesiedelt ist. Gesundheitsminister Seehofer hatte 1996 vom Arzt verordneten Reha-Sport eingeführt um den Bedarf an Kuren zu mindern. Durch die Ausbildung zum Fachübungsleiter hatte der Kneipp-Verein nun auch die Möglichkeit als Anbieter für Reha-Sport aufzutreten. So begutachtete nun der Behindertensportverband das Angebot des Kneipp-Vereins Ludwigshafen und war mit Yoga und Chi Gong als Angebot für Reha-Sport gar nicht einverstanden. Nach einigem Hin und Her lud der Behindertensportverband Otmar und Heidrun ein zu einer Nordic Walking Ausbildung auf Mallorca und dort gab es endlich die Gelegenheit freundschaftliche Bande zu knüpfen und Yoga und Chi Gong einmal auszuprobieren. Diese Erfahrung überzeugte nun auch das Präsidium vom Behinderten-Sportverband und die Yoga- und Chi Gong-Stunden bekamen ihren Segen.

Nach und nach wurde das Angebot an Kursen bis heute erweitert um Heilgymnastik, Autogenes Training, Yoga-Pilates, Fußreflexzonenmassage, Hypnose, Tai Chi, Wassergymnastik, Sport für übergewichtige Kinder, Fastenwochen, Nordic Walking und Wandern.

Seit der Zulassung zum Anbieter von Reha-Sport stieg die Zahl der Mitglieder deutlich an. Sie hat sich von 160 in 1988 bis heute mehr als verfünffacht.

Damals wie heute stehen hinter dem Kneipp-Verein Ludwigshafen Menschen, die sich für die Kneipp‘sche Idee, nämlich andere dazu ermächtigen, sich selbst zu helfen, begeistern. Wir sind dankbar, dass sich immer wieder Menschen dafür finden und im Kneipp-Verein wirken. Wir sind gespannt auf zukünftige Kneippianer und wie diese die Idee weiterführen und entwickeln.

Sabrina Gerhardt
(Beiratsmitglied)

Kneipp Bund

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Sportbund Pfalz

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BSV-RLP

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